Thine - Responsive Modern HTML Template
faßbender & kettner
  • Header Image


Mediation

Brigitte Faßbender
  0228 / 69 15 08
  E-Mail

Mediation

Rechtsanwältin Faßbender hat im Jahr 2014 ihren Masterstudiengang Mediation an der FernUni Hagen abgeschlossen. Dabei hat sie auch im Studium einen Schwerpunkt auf die sog. Wirtschaftsmediation, also die Mediation im Arbeitsleben gelegt, und ihre Masterarbeit zu dem Thema „Konfliktmanagementsysteme in kleinen und mittleren Unternehmen unter besonderer Berücksichtigung von Konflikten am Arbeitsplatz“ geschrieben. Nachfolgend finden Sie inhaltlich und um die Quellenangaben verkürzte Auszüge hieraus.

Verfahrensgrundsätze einer Mediation

Aufgrund des unterschiedlichen Lösungsansatzes folgt eine Mediation weitgehen anderen Prinzipien als ein arbeitsrechtliches Verfahren. Bei der Mediation handelt es sich um ein Verfahren, dem die folgenden Prinzipien zugrunde liegen:

  • Allparteilichkeit des Mediators
  • Selbstverantwortlichkeit
  • Freiwilligkeit/Bereitwilligkeit
  • Informiertheit und
  • Vertraulichkeit.

Diese Prinzipien gelten im Fall des Arbeitsplatzkonflikts im Individualarbeitsrecht mit einigen Besonderheiten.

Das Prinzip der Allparteilichkeit des Mediators

Das Prinzip der Allparteilichkeit des Mediators besagt, dass dieser für keine der beiden Konfliktparteien Partei ergreifen darf.

Schon aufgrund der Mehrschichtigkeit menschlicher Kommunikation, die ja zusätzlich zu der verbalen auch eine paraverbale sowie eine analoge Ebene hat, was zu einem auch unbewussten Wahrnehmungsgeflecht verschmilzt, sowie aufgrund der individuellen Erfahrungen und Prägungen des Mediators kann die im Mediationsverfahren angestrebte Allparteilichkeit nur das unerreichbare Ideal bezeichnen. Allerdings ist der Mediator durch die kommunikationspsychologischen Teile seiner Ausbildung für diese Einflussfaktoren besonders sensibilisiert.

In der Praxis orientiert man sich hinsichtlich des Prinzips der Neutralität des Mediators bislang u. a. an den Grundsätzen zur Neutralität eines Richters, wie sie in §§ 22 ff. StPO normiert ist, so dass insoweit keine wesentlichen Unterschiede zwischen Mediator und Richter bestehen.

Noch darüber hinausgehend soll für Mediatoren der folgende Ausschlussgrund gelten: ist der Richter nur dann ausgeschlossen, wenn er mit derselben Sache bereits vorher befasst war, kann für einen Mediator eine Neutralitätsgefährdung bereits dann bestehen, wenn er eine der Parteien bereits vorher in einer anderen Sache vertreten hat. Insbesondere besteht die Gefahr einseitiger Interessenwahrnehmung, wenn ein wirtschaftlich potenter Mediationsbeteiligter versucht, den Mediator zu binden.

Diese Gefahr besteht demnach auch immer dann, wenn ein Mediator in ein Konfliktmanagementsystem eines Unternehmens eingebunden ist – insbesondere als Interner, aber auch als Externer. In der Regel ist es der Arbeitgeber, der das Honorar des Mediators bezahlt, wodurch faktisch eine gewisse Abhängigkeit geschaffen wird. Diese Gefahr ist indes systemimmanent. Selbst wenn man den Arbeitnehmer an den Honorarkosten des Mediators beteiligt, würde der Wirtschaftsmediator sich aufgrund erwarteter Folgeaufträge unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten dennoch dem Arbeitgeber eher zuneigen wollen. Diese Gefahr kann nur durch deren Bewusstsein und das Berufsethos und die Haltung des guten Mediators gebannt werden.

Das Prinzip der Selbstverantwortlichkeit

Kennzeichnend für die Mediation ist zudem die Selbstverantwortlichkeit der Parteien. Diese delegieren nicht – wie beim Gerichtsverfahren – die Lösung an den Dritten, sondern erarbeiten mit Hilfestellung durch den Mediator eigenständig ein Lösungsmodell, das sie individuell für sich zuschneiden können. Dies bietet den Vorteil, dass diese Lösung von beiden Seiten getragen wird und damit eine größere Akzeptanz erfährt. Anders als beim Gerichtsverfahren, bei dem sich mindestens eine Partei als Verlierer fühlt („win-lose“-Situation), ist das Ergebnis einer erfolgreichen Mediation eines, das die Interessen beider Parteien angemessen berücksichtigt („win-win“).

Dabei lassen sich hinsichtlich der Rolle des Mediators zwei Ausformungen des Prinzips der Selbstverantwortlichkeit erkennen: Die Lehre von der passiven und die Lehre von der aktiven Mediation. Bei der passiven Mediation ist der Mediator in erster Linie Kommunikator oder Verfahrensverwalter. Er greift in keiner Weise inhaltlich in das Mediationsverfahren ein. Er ist nicht für das Ergebnis verantwortlich, greift weder lenkend in das Verfahren ein noch bietet er eigene Vorschläge an.

In Anlehnung an die Aufteilung von Glasl scheint es sinnvoll, dies in Abhängigkeit von der Eskalationsstufe zu variieren. In den ersten drei Eskalationsstufen mag sich ein Mediator eher passiv, moderierend verhalten. Mit zunehmendem Eskalationsgrad wird er eher lenkend eingreifen müssen.

Eine besondere Problematik im Rahmen der innerbetrieblichen Mediation kann das strukturelle Ungleichgewicht der Parteien darstellen, wenn sie beispielsweise unterschiedlichen Stufen der Unternehmenshierarchie angehören, bei Mobbingsachverhalten oder wenn es sich um eine Auseinandersetzung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer handelt. Hier ist es die Aufgabe des Mediators, durch die Art der Verhandlungsführung besonders auf die Fairness zu achten und gegebenenfalls Machtungleichgewichte durch gezielte Interventionen auszubalancieren. Das Machtgefälle sollte offen angesprochen und deutlich gemacht werden, dass es ja gerade nicht um Lösungen geht, die aufgrund von Machtausübung erreicht werden. Gleichwohl bleiben die Machtverhältnisse bestehen, behält der Chef in einer Auseinandersetzung „das letzte Wort“.

Denkbar ist auch, dass sich die strukturell unterlegene Partei in der Mediation z. B. durch ein Betriebsratsmitglied oder einen Rechtsanwalt begleiten und vertreten lässt. Da dies möglicherweise erstmalig die meso-soziale Ebene des Konflikts eröffnet, was die Komplexität unnötig erhöhen mag, und da hierdurch ein numerisches Ungleichgewicht zwischen den Parteien entsteht, muss dieser Schritt sorgfältig überlegt werden.

Das Prinzip der Freiwilligkeit/Bereitwilligkeit

Das Prinzip der Freiwilligkeit besagt, dass die Parteien freiwillig, also ohne äußeren Zwang an dem Mediationsverfahren teilnehmen. Die Mediation ist daher als eine Option zu begreifen, die ausschließlich dann zielführend sein kann, wenn alle Beteiligten an ihr teilnehmen wollen.

Unfreiwilligkeit liegt andererseits regelmäßig dann vor, wenn ein solches Machtungleichgewicht zwischen den Parteien besteht, dass dadurch eine Partei der anderen ihren Willen aufzudrängen in der Lage ist. Gerade bei der innerbetrieblichen Mediation liegt häufig ein strukturelles Machtgefälle vor, so dass das Prinzip der Freiwilligkeit regelmäßig durchbrochen ist. Aufgrund der positiven Erfahrungen auch mit angeordneten Mediationen fordern einige, das Merkmal der Freiwilligkeit gänzlich aufzugeben.

Da eine Mediation von jeder Partei jederzeit beendet werden kann und da eine Mediation dann nicht gelingt, wenn auch nur eine Partei blockiert, sollte man eher mit Duss-van Werdt das Merkmal der Freiwilligkeit durch das der Bereitwilligkeit ersetzen. Dann wird deutlich, dass eine Mediation auch bei einem Arbeitsplatzkonflikt nur da gelingen kann, wo die Parteien eine positive Bereitschaft mitbringen, diese Chance des Interessenausgleichs zu nutzen.

Das Prinzip der Informiertheit

Das Prinzip der Informiertheit bedeutet, dass alle Parteien des Mediationsverfahrens hinsichtlich der entscheidungserheblichen Tatsachen sowie der Rechtslage auf dem gleichen Wissensstand sein sollen. Auch dies unterscheidet die Mediation vom Gerichtsverfahren, das lediglich in § 139 II ZPO eine Hinweispflicht des Richters vorsieht und viel dem prozesstaktischen Kalkül der Parteien überlässt. Um eine nachhaltige und den Konfliktkomplex möglichst umfassende Lösung erarbeiten zu können, soll in der Mediation keine Partei Informationen zurückhalten, es sei denn, es handelt sich um vertrauliche Informationen.

Ein Spannungsverhältnis besteht freilich zwischen der Information über die Rechtslage durch den Mediator einerseits und dessen Gebot zur Allparteilichkeit andererseits. Denn wenn der (Anwalts-)Mediator über die Rechtslage aufklärt, so ist das fast immer von Vorteil für nur eine Partei. Es besteht daher zumindest subjektiv die Gefahr, dass sich die jeweils andere Partei durch diese Aufklärung benachteiligt sieht und ggfs. die Neutralität des Mediators in Frage stellt.

Muss also der (Anwalts-)Mediator bei der innerbetrieblichen Mediation etwa darüber aufklären, dass Ausschlussfristen nicht durch das Mediationsverfahren gehemmt werden und dass während des Laufs des Mediationsverfahrens möglicherweise Leistungsansprüche verfallen oder dass die Frist zum Ausspruch der außerordentlichen Kündigung oder zur Erhebung der Kündigungsschutzklage abläuft? Eine Möglichkeit ist sicher, dass der Mediator die Parteien dazu anhält, sich über ihre rechtlichen Möglichkeiten etwa bei ihren Rechtsanwälten, beim Betriebsrat oder öffentlichen Beratungsstellen zu informieren.

Gerade der Anwaltsmediator sollte überschlägig über die juristische Alternative informieren und beispielsweise auf den Lauf von Fristen hinweisen. Alsdann können die Parteien auch beispielsweise vereinbaren, fristwahrend und kostengünstig bei der Geschäftsstelle des Arbeitsgerichts Klage einzureichen und sodann das Ruhen des Verfahrens für die Dauer der Mediation anzuregen. Nur eine möglichst umfassende Informiertheit über alle faktisch und rechtlich relevanten Aspekte kann zu einer langfristig tragfähigen Entscheidung der Konfliktparteien führen.

Das Prinzip der Vertraulichkeit

Der fünfte tragende Grundsatz der Mediation ist schließlich die Vertraulichkeit. Keine Partei soll aus dem im Rahmen des Mediationsverfahrens gewonnen Wissen in einem etwaigen anschließenden Prozess in der Weise Vorteil schlagen, dass sie die im geschützten Rahmen der Mediation gewonnenen Informationen gegen die andere Partei verwendet. Es gilt sowohl für die Konfliktparteien als auch für den Mediator das Gebot, sämtliche Informationen vertraulich zu behandeln, sowie das Verbot, diese Informationen zu nutzen.

Faktisch besteht das Risiko der Verwertung der vertraulichen Informationen durch die Parteien selbst natürlich fort – und sei es durch „Gerede“ im Betrieb. Dies ist nur eingeschränkt beherrschbar. Zu denken ist daran, bereits in der Mediationsvereinbarung eine Vertragsstrafenregelung für diesen Fall des Missbrauchs zu treffen.

Beim Arbeitsplatzkonflikt wird der Grundsatz auch da durchbrochen, wo der Mediator dem Auftraggeber eine Rückmeldung über das Ergebnis der Mediation liefern muss. Dieses Problem ist nur dadurch zu lösen, dass der Arbeitgeber lediglich eine Rückmeldung über die Eckdaten der Mediation erhält, dass die Inhalte hingegen vertraulich bleiben. [1]

Der große Vorteil des geschützten vertraulichen Rahmens einer Mediation im Vergleich zur öffentlichen Verhandlung eines Arbeitsgerichtsprozesses ist indes, dass nur so die Chance besteht, dass die Parteien über die sichtbare Spitze des Eisbergs hinaus Einblick gewähren in ihre unter der Oberfläche verborgenen Einstellungen, Motivationen und Interessen. Nur dann ist aber eine fundierte Strukturanalyse des Konflikts durchzuführen mit der Chance auf dauerhafte Befriedung. Zudem können – anders als bei der öffentlichen Gerichtsverhandlung – negative Publicity und ein Imageverlust vermieden werden. [2]

Besonderheiten bei einem Arbeitsplatzkonflikt

Bei einem Arbeitsverhältnis handelt es sich um eine Dauerbeziehung zwischen einer Vielzahl von Individuen, die jeden Werktag miteinander verbringen. Begreift man Arbeitsplatzkonflikte als solche, die eine Fülle von zwischenmenschlichen und strukturellen Komponenten beinhalten, erkennt man, welchen Dynamiken Individual- und Gruppenkonflikte unterliegen, so zeigt sich, dass Mediation einen gänzlich anderen Ansatz zum Umgang mit derartigen Konflikten verfolgt als das klassische juristische Verfahren. Im Vordergrund steht das Strukturieren des Konflikts durch einen neutralen Dritten, um – wo möglich – die Parteien in die Lage zu versetzen, einen besseren Modus des Umgangs miteinander zu erarbeiten. Nur dann, wenn die Interessen und Bedürfnisse aller Beteiligten gehört und angemessen berücksichtigt worden sind, werden in einem gesunden Betriebsklima mit motivierten, selbstverantwortlichen Menschen gute Ergebnisse erzielt.

Vorteile der Mediation bei Arbeitsplatzkonflikten

Welche Vorteile kann die Mediation bei der Lösung von Arbeitsplatzkonflikten bieten? Wie unterscheidet sich der konsensorientierte Ansatz der Mediation von einer Streitschlichtung vor Gericht?

Die Mediation zielt darauf ab, dass die Parteien (wieder) miteinander ins Gespräch kommen. Sie bietet den Vorteil, dass die Betroffenen in ihrem Kommunikationsprozess durch einen professionell ausgebildeten unparteiischen Dritten, den Mediator, unterstützt werden. Dieser strukturiert den Gesprächsablauf, gewährleistet Fairness in der Verhandlung und analysiert und bearbeitet den Konflikt und seine Ursachen, indem er dessen Struktur herausarbeitet und veranschaulicht.

Im Konflikt entwickeln die Konfliktparteien typischerweise subjektive Wahrnehmungsverzerrungen. Dies bedeutet für die Konfliktbehandlung: Ein Mediator soll den Streitparteien die jeweilig einseitigen Sichtweisen und Zerrbilder aufzeigen und wo möglich korrigieren sowie Empathie und Verständnis für den Standpunkt des anderen wecken. Selbst wenn eine Mediation scheitert und kein Konsens erarbeitet werden kann, verbessert die Mediation das Verständnis für die Sichtweise des anderen und stärkt die Selbstbehauptung der Parteien.

Wichtig ist, dass der Mediator die Parteien wegführt von ihren starren, ggfs. sogar rechtlich begründeten Positionen (z. B. „Ich will, dass mein Arbeitnehmer pünktlich um 8:00 Uhr an seinem Arbeitsplatz sitzt und die vereinbarte Arbeitszeit bis 12:00 Uhr absolviert.“ vs. „Ich muss meine Kinder zur Schule begleiten und schaffe es nicht, vor 8:15 Uhr an meinem Arbeitsplatz zu sein“) zu den dahinter stehenden Interessen (z. B. „Ich brauche in meinem Betrieb einen reibungslosen Arbeitsablauf - ebenso wie motivierte Mitarbeiter.“ und „Ich möchte meine Rolle als Arbeitnehmerin mit meiner Rolle als Mutter in Einklang bringen.“). Im Idealfall bildet dies die Basis für eine einvernehmliche zukunftsorientierte Lösung der Parteien, eine Lösung, für die es möglicherweise keine gesetzliche Grundlage gibt, die aber den Interessen und Bedürfnissen der Parteien entspricht (z. B. um einen reibungslosen Arbeitsablauf zu gewährleisten und gleichzeitig Flexibilität zu erlauben, wird eine Kernarbeitszeit vereinbart, die zwischen 8:00 Uhr und 8:30 Uhr beginnt und zwischen 12:00 Uhr und 12:30 Uhr endet. Die geschuldete Arbeitsleistung von 4 Stunden wird innerhalb dieses Zeitfensters absolviert). Das gemeinsame Erarbeiten derartiger Lösungen, die die Interessen beider Parteien ausgleichend berücksichtigen, ist gerade für eine langfristig zufriedenstellende Arbeitssituation wichtig.

Ein weiterer wichtiger Unterschied zwischen Mediation und Gerichtsverfahren ist der zeitliche Aspekt. Im Gerichtsverfahren können nur die Gegebenheiten der Vergangenheit aufgearbeitet und einer juristischen Wertung zugeführt werden. Oftmals entscheiden Fragen der (fehlenden) Beweisbarkeit über den Prozessausgang. Dies widerspricht häufig dem Gerechtigkeitsempfinden und führt nicht zu einer dauerhaften Befriedung, denn ein neues Streitthema ist von der unterlegenen Partei rasch gefunden. In der Mediation hingegen wird der Blick in die Zukunft gerichtet. Gerade bei dauerhaften Rechtsbeziehungen, wie dem Arbeitsverhältnis, ist zwar notwendig, die Gründe für Fehlentwicklungen in der Vergangenheit aufzuarbeiten. Doch ist das Ziel der Mediation, für die Zukunft eine Lösung zu erarbeiten, die den Interessen beider Konfliktparteien gerecht wird.

Konfliktstrukturen erkennen

Ein Mediator ist darin geschult, die Komplexität eines Konflikts zu entwirren und diesen zu strukturieren. Dies bedeutet, dass der Konflikt zunächst als solcher akzeptiert werden muss. Sodann werden unter anderem mögliche Rollenkonflikte, der Konfliktrahmen und die Konfliktanlässe herausgearbeitet.

Diese Klarstellungen haben für die Parteien den Vorteil, dass sie in die Lage versetzt werden, die sachliche und die emotionale Ebene des Konflikts voneinander zu trennen, und dass ihnen die Beweggründe der Gegenseite sowie die Hintergründe und Zusammenhänge des Konflikts deutlich werden.

a) Konflikt anerkennen

Ein erster wichtiger Schritt ist, dass die Parteien einen Konflikt als solchen anerkennen. Ohne diese Einsicht kann auch eine Mediation, die auf die Eigenverantwortung der Parteien baut, nicht gelingen. Zwar werden Konflikte in Unternehmen gern an Personen festgemacht und es wird als Zeichen von Führungsschwäche gesehen, Konflikte überhaupt aufkeimen zu lassen. Generell werden Konflikte in Unternehmen weitverbreitet noch als Makel empfunden, den es zu leugnen gilt, statt auch die konstruktive Kraft eines Konflikts, der auf einen Veränderungsprozess drängt, anzuerkennen.

In einer Vorphase der Konfliktintervention in Teams kann man beispielsweise die Betroffenen in Einzelgesprächen zu folgenden projektiven Fragen Stellung beziehen lassen: „Wo sehen Sie in dieser Gruppe (sachliche, emotionale, strukturelle usw.) Spannungen? Wo sehen Sie Seilschaften? Wer hat hier Einfluss? Wer genießt hier Vertrauen? Welche Erscheinungsformen hat der Konflikt?“ Dieses Interview hat für den Betroffenen den Sinn, die eigene Sicht des Konflikts darzustellen. Insbesondere aber soll ihm bewusst werden, welche Konsequenz eine Nicht-zur-Kenntnisnahme des Konflikts hätte.

b) Intra- und Interpersonale Rollenkonflikte

Typischerweise ist ein Rollenkonflikt Teil des Arbeitsplatzkonfliktes. Jeder Mensch hat ein Bündel von sozialen Rollen inne. So ist Person A beispielsweise gleichzeitig Ingenieur, Angestellter, Vorgesetzter im Projekt X, Kollege im Team, Betriebsratsmitglied, Ehemann, Vater und Vorsitzender des Hundesportvereins. Aufgrund des begrenzten Zeitbudgets oder weil teilweise eine inhaltliche Unvereinbarkeit zwischen verschiedenen Rollen besteht, entstehen sogenannte Inter-Rollenkonflikte. Soll etwa A zur Projektabwicklung X einen mehrjährigen Auslandsaufenthalt unternehmen, kann er seinen weiteren Rollen nicht mehr gerecht werden. Oder: berichtet ein Kollege dem A von dessen Auseinandersetzung mit dem Vorgesetzten Z, muss sich A klar werden, ob er sich als Kollege, Betriebsratsmitglied, Freund oder Vorgesetzter angesprochen fühlt und in welcher Rolle er auf das Problem eingeht.

Von einem sogenannten Intra-Rollenkonflikt spricht man dort, wo man aufgrund der ausgeübten Rolle mit den Erwartungen der Rollenpartner konfrontiert ist, die einander häufig widersprechen. Ein anschauliches Beispiel dafür liefert Schulz von Thun mit der klassischen Sandwich-Position einer Führungskraft im mittleren Management: der Arbeitgeber verlangt stärkere Leistungen der Arbeitnehmer, die Personalabteilung mahnt fairen Umgang mit den Mitarbeitern an und die Belegschaft erwartet ihre Interessenvertretung gegen „die da oben“.

Abb. 2 Intra-Rollenkonflikt im mittleren Management [3]

Diese Führungskraft kann es nicht allen recht machen. Wichtig ist für sie, in ihrer Rolle eine klare Linie zu finden: dass sie in der Begegnung mit den Rollenpartnern ihre Motivation darlegt, ihre Verweigerung begründet und ihren Gegenforderungen Nachdruck verleiht.

Eine wichtige Aufgabe des Mediators ist, derartige Rollenkonflikte aufzuzeigen und bewusst zu machen, damit die Haltung des Betroffenen von diesem erarbeitet und sodann klar kommuniziert werden kann.

c) Konfliktrahmen

Die Hauptanwendungsfelder von Arbeitsplatzkonflikten entstammen folgenden Beziehungen:

  • Zwischen Kollegen (z. B. Missverständnisse, gestörte Zusammenarbeit, Konkurrenz, Persönliche Differenzen, Sozialneid, sexuelle Belästigung)
  • Im Team (z. B. Mobbing, Lagerbildung)
  • Mitarbeiter – Vorgesetzter (z. B. bei Reorganisation, Fusion oder Umstrukturierung, mangelnde Information, Offenheit und Kommunikation der Führungskräfte, mangelnde Einbeziehung, mangelnde Gerechtigkeit, unklare Rollen, unklare Aufgabenverteilung, unklare Kompetenzen)
  • Arbeitgeber – Arbeitnehmer (z. B. bei Abmahnung, Kündigung, Leistungsmängel)
  • Zwischen Abteilungen (z. B. um ein neues Projekt)
  • Arbeitgeber – Betriebsrat
  • Betriebsrat untereinander.

Man unterscheidet Konflikte im mikro-sozialen Rahmen, also Konflikte, die zwischen zwei oder mehreren Einzelpersonen oder in kleinen Gruppen spielen. Da jeder jeden kennt, kommt es zum unmittelbaren direkten Austausch. Eine Konfliktbehandlung kann sich direkt an die Betroffenen richten.

Unter Konflikten im meso-sozialen Rahmen versteht man Konflikte in sozialen Gebilden der mittleren Größenordnung, also beispielsweise innerhalb eines kleinen oder mittleren Unternehmens, das sich aus mikro-sozialen Einheiten zusammensetzt. Zwischen den einzelnen Einheiten der Organisation findet oft keine direkte Kommunikation mehr statt, sondern diese erfolgt über Stellvertreter wie beispielsweise Abteilungsleiter oder Betriebsräte. Das bedeutet, dass zu der Komplexität der Kleingruppe die der weniger persönlichen Zwischengruppenbeziehung hinzutritt. Das Ganze wird noch überlagert von den Zielen, Aufgaben und Strukturen des Unternehmens selbst, das das Verhalten, Denken und Fühlen der Beteiligten mit beeinflusst. Für die Konfliktintervention bedeutet dies, dass oft erst auf der meso-sozialen Ebene Bedingungen geschaffen werden müssen, die es erlauben, an den Konflikten in den mikro-sozialen Einheiten zu arbeiten.

Bei Konflikten im makro-sozialen Rahmen handeln die Einzelpersonen als Vertreter von Kollektiven. Es tritt also eine noch höhere Komplexität auf. Die Konfliktbehandlung muss sich daher mehr auf unpersönliche Faktoren richten, die sich aber auch auf der persönlichen Ebene auswirken.

Bei der Konfliktanalyse ist es zur weiteren Verfahrenswahl wichtig, dass der Konfliktrahmen definiert wird. Dabei ist es auch wichtig zu erkennen, dass aufgrund der aufgezeigten Eskalationsdynamik ein Konflikt die Tendenz hat, die soziale Arena von der Mikro-, über die Meso- zur Makro-Ebene auszuweiten, denn mit zunehmender Eskalation werden weitergehende Koalitionen geschmiedet. Wichtig ist hier in der Regel, zunächst deeskalierend von der Makro- wieder auf die Mikro-Ebene zu lenken.

Derartige Zusammenhänge gilt es, im Rahmen der Konfliktanalyse eines Mediationsverfahrens aufzuschlüsseln.

d) Konfliktanlässe

Inhaltlich haben Arbeitsplatzkonflikte oft einen Hintergrund auf der Sach- und einen auf der Beziehungsebene, wobei mit zunehmender Eskalation die Beziehungsebene an Bedeutung gewinnt.

Der Sachebene zuzuordnen sind die

  • Sach- und Sachverhaltskonflikte (z. B. Konflikte, welche die konkrete Ausgestaltung des Arbeitsplatzes betreffen, Konflikte wegen Informationsmängeln, Fehlinformationen, Bewertungsunterschieden) und die
  • Strukturellen Konflikte (z. B. wegen unklarer Kompetenzen, Macht-ungleichgewicht, ungleicher Ressourcenverteilung, unterschiedlicher Zielvorgaben),
  • Verteilungskonflikte (z. B. wegen Punkteliste für Sozialauswahl; Dienstplänen von Voll- und Teilzeitkräften; Entlohnungsbestandteilen, Verteilung von finanziellen Ressourcen oder Macht, Beteiligung der Mitarbeiter am Unternehmenserfolg und -risiko),

der Beziehungsebene zuzuordnen sind die

  • Beziehungskonflikte (z. B. wegen Missverständnissen, Vorurteilen, besonderer Emotionen, Konkurrenz),
  • Wert- und Grundsatzkonflikte (z. B. wegen religiöser oder politischer Überzeugungen, unterschiedlicher identitätsgebundener Werte, unterschiedlicher Gerechtigkeitsvorstellungen).

Ein struktureller Konflikt besteht beispielsweise zwischen dem Innen- und dem Außendienst einer Versicherung: um Versicherungspolicen besser verkaufen zu können, legt der Außendienst die Versicherungsbedingungen eher kundenfreundlich aus. Im Versicherungsfall ist der Innendienst gehalten, eine möglichst geringe Schadenersatzleistung zu zahlen. Aufgrund der unterschiedlichen Zielvorgaben arbeiten die Mitarbeiter in entgegengesetzte Richtungen. Ist dieser Strukturkonflikt erkannt, so muss sich der Vertreter nicht mehr über die „Inkompetenz der Innendienstler“ (Beziehungskonflikt) ärgern.

Konflikte weisen jedoch oft eine weitaus größere Komplexität auf: so beinhaltet beispielsweise der Verteilungskonflikt über die Erstellung der Punkteliste für die Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG den Grundsatzkonflikt, welcher Verteilungsmaßstab als gerecht bewertet wird: ist die Dauer der Betriebszugehörigkeit (Besitzstandswahrung) höher zu bewerten als das Lebensalter (Seniorität), als bestehende Unterhaltsverpflichtungen (Verteilung nach familiärer Bedürftigkeit) und als eine Schwerbehinderung (Verteilung nach individueller Bedürftigkeit) oder gerade nicht? Ist es aufgrund des Prinzips der Leistungsgerechtigkeit gerecht, bestimmte Leistungsträger von der Sozialauswahl auszunehmen, § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG? Es gibt bei der bestehenden Vielfalt von Gerechtigkeitsprinzipien kein richtig und falsch. Auch die Mediation vermag hier keine „grundsätzlich richtige“ Lösung zu generieren.

Doch führt das Herausarbeiten des Konfliktanlasses, der Austausch über die unterschiedlichen Bewertungsmöglichkeiten und Gerechtigkeitspinzipien sowie das Sicherstellen von Verfahrensgerechtigkeit in der Mediation zumindest zu dem sog. „just procedure effect“: Auch eine für den Einzelnen ungünstige Entscheidung wird eher akzeptiert, wenn das durchgeführte Verfahren als fair wahrgenommen wurde. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn beide Seiten gehört worden sind, die Entscheidungen nicht willkürlich sondern aufgrund sachlicher und nachprüfbarer Argumente und Informationen getroffen wurden, die Kriterien konsistent angelegt werden und wenn die Entscheidung an normativen Prinzipien ausgerichtet ist.

So gilt es im Rahmen der Mediation, den Anlass des Konflikts herauszuarbeiten, die Sachebene von der mit starken Emotionen besetzten Beziehungsebene zu trennen und sodann im Rahmen eines fairen Verfahrens die Konfliktparteien bei der Ausarbeitung ihres individuellen Lösungsmodells zu unterstützen.

e) Fazit

In der Mediation werden Strukturen eines Arbeitsplatzkonflikts, eventuelle Rollenkonflikte, der Konfliktrahmen und die Konfliktanlässe herausgearbeitet und bewusst gemacht. Hierauf aufbauend beginnt die zukunftgerichtete Lösungssuche der Betroffenen.

Im arbeitsgerichtlichen Verfahren findet dagegen weder eine solche Konfliktanalyse statt, noch wird der Blick in die Zukunft gerichtet. Ergebnis ist hier die richterliche Beurteilung eines in der Vergangenheit liegenden, abgeschlossenen Konflikts unter Zugrundelegung gesetzlicher Normen.

Verlauf und Eskalation von Konflikten

Kleine Spannungen und Reibereien wachsen, werden sie nicht rechtzeitig bearbeitet, stufenweise zu ausgeprägten Konflikten an. Aufgrund komplexer psychologischer Abläufe entwickeln Konflikte schnell eine Eigendynamik. Eine für die Praxis hilfreiche Kategorisierung hat Glasl mit dem Modell der neun Eskalationsstufen eines Konflikts vorgenommen:

  • Stufe 1: Verhärtung

Trotz wahrnehmbarer Spannungen ist der Konflikt in diesem frühen Stadium noch im Gespräch zu lösen. Die Beteiligten bemühen sich darum, keine Polarisierung entstehen zu lassen.

  • Stufe 2: Debatte und Polemik

Die Beteiligten beginnen, Auffassungsunterschiede hervorzuheben. Kollisionen werden nicht mehr gemieden. Die Kommunikation nimmt ab und damit nehmen Widersprüche und Fehlinterpretationen zu.

  • Stufe 3: T aten statt Worte

Da Reden zwecklos erscheint, schafft man jetzt durch Taten Fakten. Die Parteien wollen nun vor allem den Gegner bremsen und die eigenen Absichten durchsetzen. Taten haben den Vorteil, dass sie einseitig und schnell erfolgen können und das Gefühl vermitteln, von der anderen Seite unabhängig zu sein.
Innerhalb der eigenen Gruppe steigert sich der Konformitätsdruck.

  • Stufe 4: Images und Koalitionen

Der Konflikt verlagert sich von der Sach- auf die Beziehungsebene. Die Gegenseite wird für die Fortdauer des Konflikts verantwortlich gemacht. Bei den Parteien setzen sich stereotype überhöhte Selbst- und Feindbilder fest. Die Einstellung der Parteien bekommt zunehmend „win-lose“-Charakter.

Gleichzeitig wird bei anderen Unterstützung gesucht und es werden Koalitionen geschmiedet.

  • Stufe 5: Gesichtsverlust

Die Gegenseite wird in der Öffentlichkeit angegriffen, verletzt und „demaskiert“. Die Konfliktparteien erleben den Gegensatz nicht bloß als den von Superiorität und Inferiorität, sondern als den von „Engel und Teufel“.
Spätestens jetzt wird der Konflikt um Werte geführt und durch Idealisierung überhöht. Durch Perzeptionsverzerrungen erscheinen die Auffassungsunterschiede größer, als sie sich bei emotionslosem Vergleich darstellen.

  • Stufe 6: Drohstrategien und Erpressung

Auf dieser Stufe nehmen Gewaltdenken und –handeln der Parteien erheblich zu. Diese greifen zunehmend auf erpresserisches Drohverhalten zurück, um den anderen zu beeinflussen. Die Parteien spielen mit Gefühlen der Angst, was sie zu mehr irrationalem Verhalten treibt, dessen Auswirkungen sich der Kontrolle der Agierenden entziehen. Allerdings besteht in der Drohung noch die Hoffnung, diese nicht umsetzen zu müssen.

  • Stufe 7: Begrenzte Vernichtungsschläge

Die Parteien können sich jetzt eine Lösung des Konflikts bei gleichzeitiger Existenz des Feindes nicht mehr vorstellen. Durch „pessimistische Antizipation“ sehen die Parteien das Drohpotential der Gegenseite höher, als es tatsächlich ist, so dass sich Angriffe und Vergeltung in ihrem Ausmaß potenzieren. Der Verlust, den der Feind erleidet, wird als eigener Gewinn verbucht, selbst wenn dies dem Zerstörer tatsächlich keinen Vorteil bringt.

  • Stufe 8: Zersplitterung, totale Zerstörung

Die Vernichtungsaktionen werden viel heftiger, da die Macht- und Existenzgrundlage des Feindes schlechthin vernichtet werden soll. Sofern es sich um eine Gruppe handelt, wird alles unternommen, um diese zu zersplittern.

  • Stufe 9: Gemeinsam in den Abgrund

Die Parteien schalten auf totalen Kollisionskurs. Ihnen erscheinen die materiellen und immateriellen Kosten einer Umkehr um vieles höher als die Kosten einer totalen Vernichtung und Selbstvernichtung.

In der Lebenswirklichkeit lassen sich die Eskalationsstufen in einem komplexen Konflikt begreiflicherweise nicht so sauber voneinander trennen wie im Modell. Manche Streitigkeiten dehnen sich auch in kürzester Zeit über mehrere Stufen aus oder mehrere Stufen verschmelzen oder werden übersprungen.

Allerdings erleichtert das Modell die Konfliktdiagnose und gibt Hinweise über die geeignete Methode der Konfliktbearbeitung. So müssen nach Glasl bei zunehmendem Eskalationsgrad die direktiven Interventionen - differenziert nach Inhalt, Setting und Methode - zunehmen, um einen nachhaltigen Erfolg der Konfliktbearbeitung durch Mediation zu ermöglichen.

Zugleich macht das Eskalationsstufenmodell deutlich, dass die Bearbeitung eines Konflikts umso aussichtsreicher ist, je früher sie angegangen wird. Je niedriger die Eskalationsstufe, desto geringer der Grad der Polarisierung und Verhärtung, desto besser die Kommunikation zwischen den Parteien, desto weniger direktive Intervention und desto leichter eine Lösungsfindung auf sachlicher Ebene.

Sehr anschaulich wurden die Konfliktstufen nach diesem Modell von Burkard Pfeifroth illustriert.